M.H. Allafi, Schriftsteller, Übersetzer und Verleger, ist 1952 in der kleinen alten Stadt Kerend am Fuße des Zagros-Gebirges in Kurdistan/Iran geboren. Er wuchs zweisprachig – kurdisch und persisch – auf und besuchte die Schule des Ortes bis zur Mittelstufe. 1968 zog er in die benachbarte Großstadt Kermanschah, wo er das Gymnasium besuchte und 1971 sein Abitur machte. Von 1971 bis 1972 musste er seinen Militärdienst bei der kaiserlichen Gendarmerie ableisten, zunächst für sechs Monate in der kurdischen Stadt Sanandadsch, anschließend zwei Monate in der Hafenstadt Buschehr und dann auf der Insel Kharg im Persischen Golf.
Von 1973 bis 1978 lebte Allafi in Teheran, wo eine Ausbildung im Bereich Maschinenbau der Teheraner Raffinerie absolvierte. Nach der Beendung seiner Ausbildung arbeitete er genau zwei Wochen lang in Isfahaner Raffinerie.
Dann machte er seinen Plan für ein Studium im Ausland wahr und reiste nach Deutschland, wo er sich von Beginn an politisch und sozial in der links-alternativen Szene engagierte. Aufgrund dieses Engagements entschied er sich, nachdem er zunächst die deutsche Sprache erlernt und das Studienkolleg in Mainz beendet hatte, für das Studium der Soziologie, Pädagogik und Sozialpsychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wo er auch seine Frau Sabine kennenlernte. In seiner Diplomarbeit (1985) befasste er sich mit der Lebensplanung Jugendlicher in Deutschland.
Doch da ihn sein erstes Heimatland faszinierte, machte er den Industrialisierungsprozess in Iran zum Thema seiner Promotion. Mit Bezugnahme auf die französische Regulationstheorie verfasst er eine umfassende Arbeit über Iran im modernen Zeitalter, erwarb damit 1989 den Titel Doktor der Philosophie und schloss so sein Studium der Gesellschaftswissenschaften an der Universität in Frankfurt am Main ab. In den nun folgenden Jahren 1989 bis 1991 war er zwischen Iran und Deutschland hin und her gerissen. Die islamische Revolution in Iran und das Aufkommen des Islam als politische Ideologie führten ihn zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem politischen Islam, als dessen Ergebnis schließlich das Buch „Islam, Gesellschaft und europäische Moderne“ (2002; ISBN 9783-930761-27-2) entstand.
Von 1991 bis 2005 lehrte Allafi Soziologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sein zwischenzeitlicher Versuch als Professor für Soziologie in Iran zu lehren scheiterte wegen kultureller Unstimmigkeiten mit seinem Umfeld. Angesichts direkter Gewaltandrohung musste er das Land fluchtartig verlassen. Seither lebt er wieder in Frankfurt am Main, wo er sich neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler und Autor auch als Übersetzer und Herausgeber zahlreicher Werke moderner iranischer Autoren und Autorinnen einen Namen gemacht hat, z.B. durch die Anthologien „Das kleine Geschenk“ (1994; ISBN 978-3-930761-01-2), „Ein Bild zum Andenken“ (1997; ISBN 978-3-930761-08-1), „Östliche Brise“ (1998; ISBN 978-3-930761-12-8) und „Mina mit dem blauen Kleid. Moderne Erzählungen iranischer Frauen“ (1999; ISBN 978-3-930761-13-5).
Darüber hinaus machte er mit seinen Übersetzungen die Werken der wichtigsten iranischen Romanciers erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich, wie die Romane „Drama der Trauer“ von Simin Daneshwar (1997; ISBN 978-3-930761-07-4), „Die Rückkehr“ von Ahmad Mahmud (1997; ISBN 978-3-930761-06-7), „Winter ‘83“ von Esmail Fassih (1998; ISBN 978-3-930761-11-1), und Erzählungen von Simin Daneshwar (zuletzt 2012; ISBN 978-3-930761-26-5) unter dem Titel „Frag doch die Zugvögel“ sowie von Moniro Ravanipur „Die Steine des Satans“ (1996; ISBN 978-3-930761-04-3). 1994 gründet er zusammen mit seiner Frau den Glaré Verlag, der sich als Forum für eine Verständigung über kulturelle Grenzen hinweg mit dem Ziel einer friedlichen Zukunft für alle sieht. Mit den beiden Reihen „Der andere Orient“ und „East meets West“ haben sie ein Forum geschaffen, das den modernen Orient präsentiert und zum anderen Autorinnen und Autoren zwischen zwei Kulturen (Orient und Okzident) Raum gibt.
In „Ein Fenster zur Freiheit“ (2000; ISBN 978-3-930761-23-4) zeichnet Allafi die hundertjährige Literaturgeschichte Irans in drei Generationen anhand zahlreicher Beispiele nach und nimmt zugleich Abschied von der modernen iranischen Literatur, die seiner Meinung nach infolge der Repressionen und Einschränkungen der Freiheit der Autorinnen und Autoren nichts Wesentliches mehr zu bieten hat.
Seine literarischen Arbeiten kreisen um zwei Hauptthemen: Da sind zum einen die iranischen Menschen und die Zerrissenheit ihres Landes zwischen Tradition und Moderne, zum anderen geht es um das Leben in Deutschland und jene, die sich mit den hiesigen Verhältnissen kritisch auseinandersetzen.
Sein erster Roman „Es schneit im Zagros-Gebirge“ (1991; ISBN 978-3-388975-036-5), bringt die Nöte der Menschen in Kurdistan nahe. Ein Thema, das er in humorvoller Weise in „Die Nähmaschine“ (1994; ISBN 978-3-930761-00-5) wieder aufgreift. Eine Bühnenfassung wurde unter dem Titel „Unter Strom“ 1996 vom Theaterhaus Frankfurt uraufgeführt. Die Novelle „Verloren“ (1996; ISBN 978-3-930761-02-9), erzählt von einer jungen Kurdin in den Wirren der islamischen Revolution.
Diese Bände sind mit den Erzählungen den Erzählungen "Tante Tüti" und "Sorayas Revolution" in "Tante Tüti" (2017; ISBN 978-2-930761-94-4) in neuer Bearbeitung erschienen.
Um Iran geht es auch in seinem Roman „Leyla – Auf der Suche nach Freiheit“ (2005; ISBN 978-3-930761-40-1), in dem die abstrakte Leyla (aus der Legende von Leyla und Madschnun) als Metapher für die unerfüllte Liebe steht, aber nicht stehenbleibt. So werden bei Allafi nicht nur unterschiedliche moderne Frauen, die zufälligerweise alle Leyla heißen, vorgestellt, sondern der Autor wagt sich auch an die Zeichnung eines Weges zur Freiheit und freien Liebe in einem gnadenlos unterdrückerischen Umfeld.
Die Skrupellosigkeit der politischen Szene in Iran heute ist das Sujet von „Nalan. Ein Mensch ohne Gnade“ (2009; ISBN 978-3-930761-68-5), zu dem der Autor kurz nach der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinedschads selbst formulierte: „Als ich den Nalan niedergeschrieben hatte, sagte ich mir, dass ich bezüglich der Beschreibung von Lug und Trug und der zwischenmenschlichen Intrigen vielleicht doch übertrieben habe. Als ich jedoch die letzten Wahlen in Iran und die Aussagen der so genannten islamischen Eliten des Landes im Hinblick auf ihren Ausgang wie auch die Geschehnisse in den vergangenen Monaten verfolgte, war ich etwas beruhigt, denn sie zeigen, dass ich nicht übertreiben konnte, obwohl ich übertrieben habe…“
"Die exemplarische Schilderung der Übergänge und Transformationen in einer interkulturell ausgesatteten Erzählwelt bildet den Schwerpunkt in Allafis literarischem Werk", schreibt Hamid Tafazoli in seiner Studie Narrative kultureller Transformationen (Bielefeld 2019).
Allafis zweiter Lebensabschnitt in Deutschland findet Niederschlag in seiner Gabriela-Trilogie. In „Die Nächte am Main“ (1998; ISBN 978-3-930761-10-4), „Die letzte Nacht mit Gabriela“ (2003; ISBN 978-3-930761-19-7) und „Gabriela findet einen Stapel Papier“ (2012; ISBN 978-3-930761-79-1) irren die „heimatlosen“ Protagonisten Hans, Hassan und Gabriela durch die links-alternative Szene und kämpfen mit den alltäglichen Begebenheiten im kulturellen und sozialen Leben in Deutschland. Klar steht über der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist und den Belangen der Mittelschicht die Suche nach dem Glück des Einzelnen.
In "Der verwirrte Orientale und die schöne Laleh" (2015; ISBN 978-3-930761-89-0) zieht ein in die Welt hinausgeschleuderter Orientale Bilanz. Die Jahre des inneren und äußeren Aufbruchs sind vorbei, aber noch immer brennt in ihm das Verlangen nach einer besseren Welt und die Träume, die er mit seiner großen Liebe Laleh teilte, sind lebendig wie nie. Allafi hat um Laleh und den Orientalen eine Novelle und 36 poetische Statements komponiert.
Der Mensch ist in die Welt gestellt – in ein ewiges Gefüge, welches ihm Geborgenheit gibt und das ihm mitunter bedrohlich entgegentritt. Die große Liebe und tiefe Gefühle, den Traum von einer besseren Welt und die menschliche Sehnsucht nach Harmonie mit wenigen Worten zu beschreiben, das kann nur die Poesie. M.H. Allafi erschafft dabei eine Form, die Nachdenklichkeit mit Humor verbindet - und gewährt einen "Blick in meine Welt" (2019; ISBN 978-3-948323-00-4).
In der Figur der Tamara und dem "Kollektiv der Liebenden" hat er ein Ideal menschlichen Zusammenseins geschaffen, das in einer zunehmend chaotischen Welt ein Refugium des freien Austauschs und der Toleranz - und damit auch eine Perspektive - bietet: "Die Abende mit Tamara" (2021; ISBN 978-3-948323-06-6) und "Noch ein Abend mit Tamara" (2022; ISBN 978-3-948323-10-3).
Die erschütternden Ereignisse in Iran finden ihr Abbild bei den neuen Treffen des Kollektivs "Der letzte Abend bei Tamara" (2023; ISBN 978-3-948323-14-1)
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